Das Schloss der Schriftsteller - Nürnberg `46, Treffen am Abgrund

Das Schloss der Schriftsteller - Nürnberg `46, Treffen am Abgrund

Uwe Neumahr

04.05.2023

Im November 1945 begannen die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des Nationalsozialismus. Das Interesse der internationalen Presse war riesig und einige der wichtigsten Journalist*innen und Schriftsteller*innen wie z.B. John Dos Passos, Erich Kästner, Erika Mann, Alfred Döblin, der damals noch unbekannte Willi Brandt und Martha Gellhorn reisten an, um über den Prozess zu berichten. Untergebracht wurden sie im Presscamp im beschlagnahmten Schloss des Schreibwaren-Fabrikanten Faber-Castell.

Das erste Kapitel behandelt die Geschichte dieses Presselagers, das durch sein "interkulturelles Zusammenleben auch ein gesellschaftliches Experiment, ein sozialer Testlauf (war). Für die Verhältnisse der Zeit war es in vielerlei Hinsicht fortschrittlich. Den okkupierten Deutschen wurde das Ideal einer freien Presse vorgelebt und Pressefreiheit praktiziert, zumindest weitgehend von den westlichen Medien". (S.12) Der sich anbahnende Ost-West-Konflikt zeichnete sich aber auch dort ab. Die anfangs noch im gleichen Gebäude untergebrachten Sowjet-Korrespondenten wurden auf Drängen der sowjetischen Geheimpolizei in Ställen untergebracht, da sie zu sehr von der tollen Zeit im Schloß schwärmten. Von da an war ihnen der persönliche Kontakt zu nicht-sowjetischen Personen verboten.

Auch der Ablauf des Prozesses - eine durchaus zähe Angelegenheit durch die stundenlange Verlesung von Akten - und Gedanken über seine "Rechtmäßigkeit" finden Erwähnung.

Die folgenden Kapitel widmen sich einzelnen Bewohnern des Presselagers, insbesondere wie sie sich durch den Aufenthalt in Nürnberg veränderten, denn das vor Gericht verhandelte Grauen ging an niemandem spurlos vorüber. Auch die Nachkriegsdebatte um eine Kollektivschuld der Deutschen war im vollen Gange und die meisten Journalist*innen teilten die Ansicht, dass der Nationalcharakter der Deutschen ursächlich für die Entstehung des Nationalsozialismus und den Holocaust war.

Uwe Neumahr hat ein abwechslungsreiches Buch geschrieben, das einen differenzierten Blick auf den Nürnberger Prozess liefert und zum Nachdenken anregt. Lehrreich und leicht lesbar. Eine klare Leseempfehlung.

ISBN_9783406791451

Verlag_C.H.Beck

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