Ich bin der Bruder von XX.
Fleur Jaeggy
27.05.2024
"Und jetzt ist der Albtraum da, der wahre und einzige Albtraum, zu leben. Es ist wichtig zu leben. Und es ist wichtig, dass einem das Leben gelingt. Oder einfach, dass einem was gelingt. Also dass man was wird. Etwas, das mehr, oder weniger, ist als das, was man ist."
Franz Kafka betonte einst: "Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen." Derartige Bücher schrieb die Schweizerin Fleur Jaeggy. Ihre Literatur ist eine Wiederentdeckung besonderen Ranges; 1940 geboren schrieb sie auf italienisch, wurde enge Vertraute Ingeborg Bachmanns, war Intellektuelle und Model.
Ihre thematische Verwandtschaft – Einsamkeit, Entfremdung, Wahnsinn und Tod – findet man bei Kafka und Bernhard, allerdings ist Jaeggys Stil ein anderer. Ihre Texte sind reduziert, drängend und verlieren dennoch nie an Tiefe – ganz im Gegenteil: die kurzen, harten Sätze lassen uns urplötzlich ins Bodenlose taumeln. Dieses Taumeln steht zentral in Jaeggys Werk, ihre Geschichten sind eine Infragestellung des Guten in der Welt, eine Sektion der Dunkelstellen menschlicher Existenz.
Die Lektüre ist eine kathartische Erfahrung, es bleibt die Glückseligkeit des Überlebenden.
ISBN_978-3-518-43166-5
Verlag_Suhrkamp