Verbot und Verzicht - Politik aus dem Geiste des Unterlassens

Verbot und Verzicht - Politik aus dem Geiste des Unterlassens

Philipp Lepenies

18.05.2022

Wie kann es sein, dass trotz einer immer näher rückenden Klimakatastrophe wider besseren Wissens (Club of Rome, Wissenschaftlicher Beirat globale Umweltveränderungen) seit Jahrzehnten nicht gehandelt wird? Wieso ist es nicht möglich, mit Verbots- und Verzichtsmaßnahmen ein Umsteuern zu erreichen und mit Hilfe von u.a. Decarbonisierung eine Begrenzung der Erderwärmung und somit eine Bewältigung der Klimawandelursachen und -folgen zu erzielen?

Der Ökonom und Politikwissenschaftler Philipp Lepenies sieht in der mehr als hundertjährigen Tradition des Neoliberalismus mit seiner extremen Haltung, dass der Einzelne im Namen der eigenen Freiheit tun und lassen kann, was er will, die Hauptursache dafür, dass "der Konsument den politischen Bürger als Souverän ersetzt hat" (S. 17) und in unserer "postmodernen Konsumentengesellschaft" verbindliche Normen verschwinden. Die Digitalisierung und das Netz als Ort "der Omnipräsenz des Verlangens nach Aufmerksamkeit und Gütern" (S. 244) hat den Effekt der allgemeinen Ich-Zentrierung noch verstärkt. Dies ist nicht nur schlecht fürs Klima, sondern auch für die Demokratie, denn der Neoliberalismus zerstört wichtige "Elemente, auf denen zivilisatorischer und demokratischer Fortschritt beruht: Affektkontrolle und Gemeinwohlorientierung". (S.8) Der "spätmoderne Staat" (Andreas Reckwitz) "versteht sich eher als Einrichtung der Ermöglichung privaten Konsums und weniger der Verfolgung gesamtgesellschaftlicher Ziele". (S. 249) Übersehen werden die negativen Effekte auf andere, die Umwelt und zukünftige Generationen. "Weite Teile der politischen Öffentlichkeit haben, so scheint es, keine Vorstellung mehr von einem im positiven Sinne gestaltenden Staat". (S. 260) Untätigkeit ist zu einer großen politischen Tugend geworden.

Hat der Neoliberalismus den Kampf um die Seelen gewonnen, wie Philipp Lepenies es formuliert? Man kann nur hoffen, dass sich unsere Volksvertreter:innen ihrer Aufgabe des Regierungshandelns auch im Sinne des Klimaschutzes besinnen und den Mut aufbringen, die Bevölkerung zu lenken, denn nichts anderes beinhaltet das Wort regieren. (S. 263)

ISBN_9783518127872

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