Der Aufgang
Stefan Hertmans
24.01.2022
Stefan Hertmans zeigt sich in Der Aufgang als begnadeter Erzähler, der scheinbar mühelos eine Figur einkreist, die als kaum greifbar erscheint. Der Autor selbst tritt eingangs im Roman als Neubesitzer eines Hauses auf, welcher auf die besondere Lebensgeschichte der ehemaligen Bewohner aufmerksam wird. Bei diesen Bewohnern handelt sich um die Familie Verhulst, allen voran Familienoberhaupt Willem, ein Belgier, der sich mit den Nationalsozialisten einließ und gar zum SS-Offizier wurde. Die Fragen nach dem Wie und Warum, nach den Geschehnissen, die aus dem schüchternen, sehbehinderten Jungen einen Schergen des Bösen werden ließen, präsentieren sich in erschreckend-faszinierender Dringlichkeit.
Geschickt zeichnet Hertmans dieses Leben nach und erzählt eine außergewöhnliche Geschichte, die sich durch ein wunderbares Verwischen der Grenzen von Fakt und Fiktion auszeichnet. Dieses gelungene Spiel von historischer Überlieferung und dichterischer Ergänzung sorgt für eine eindringliche Authentizität des Erzählten. Der Aufgang ist ein faszinierendes Annähern und Zurückweichen an die Figuren und vor allem deren stetiges Gravitationszentrum namens Willem Verhulst. Große Klasse!
ISBN_9783257071887
Verlag_Diogenes