The Shards

The Shards

Bret Easton Ellis

04.06.2024

Wir lesen in Zeiten, in denen Autor*innen, die sich – in der ein oder anderen Form – selbst in ihre Literatur hineinschreiben, eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Dass Bret Easton Ellis, bekannt besonders für Unter Null und American Psycho, nun für seinen neuen Roman einen solchen Ansatz wählt, entspricht also erst einmal dem Zeitgeist. Doch wirkt diese Erzählweise in The Shards besonders eindringlich. Ein Erzähler, der von lang Vergangenem erzählt; eine Geschichte, die sich mit der Biografie des Autors zu einem faszinierenden Gemisch verbindet, dessen Wahrheitsgehalt dem Leser auf angenehmste Weise unergründlich bleibt.

Wir begegnen in The Shards dem jungen Bret, er ist 17 Jahre alt und frönt im Los Angeles des Jahres 1981 mit seiner Clique der Vergnügungssucht, nur unterbrochen durch kleine Ausflüge in die Privatschule. Sie sind die Nachkommen der Schönen und Reichen, Sprösslinge von Schauspielern, Produzenten und Regisseuren – Eltern, die weitestgehend abwesend sind. Der Nachwuchs übt sich währenddessen im Exzess: Partys, Drogen, Sex & Rock’n’Roll und blickt auf den Rest der Welt durch ein „Prisma der Abgestumpftheit“.

Doch ein weiteres Element schleicht sich in den Roman: es kommt zu Einbrüchen in der Stadt, Haustiere verschwinden und ein grotesker Vorfall in der Schule der Jugendlichen verstört den jungen Bret, dessen beginnende Paranoia Vorzeichen einer großen Finsternis sind, die in die schillernde Sorglosigkeit seines Aufwachsens einzudringen droht.

The Shards ist in vielerlei Hinsicht meisterhaft. Ellis beschwört geschickt eine Welt herauf, die auf fast unheimliche Weise greifbar wird, eine beinahe dokumentarische Qualität gewinnt. Die Atmosphäre im L.A. Anfang der 80er ist hochverdichtet und von träumerischer Nostalgie, ein allzu fruchtbarer Boden für die Alpträume, die am Horizont dräuen. Authentizität gewinnt die Geschichte nicht allein durch das autofiktionale Element, großartige Dialoge und Ellis‘ literarische Präzision, sondern auch konsequente Grenzüberschreitung: Gewalt und Sex werden bildhaft beschrieben – das kennen wir von Ellis. Somit ist dieses Buch definitiv keine Lektüre für Zartbesaitete.

The Shards ist Ellis‘ erster Roman seit 13 Jahren und jede Minute des Wartens hat sich gelohnt.

ISBN_978-3-462-00482-3

Verlag_Kiepenheuer & Witsch

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